NORDERNEY, einfach schön...


Vom erhöhten Abschlag der Zwei schlägt man den Ball in ein unübersichtliches hügeliges Gelände. Bälle aus dem Rough zu schlagen, kann zur Katastrophe werden.

 

Im Urlaub zieht es Hunderttausende in den Norden ans Meer. Uns zog es auf die Nordseeinsel Norderney.

Wir stehen mit unserem Auto im Hafen von Norddeich Mole vor der Fähre nach Norderney. Etwa 100 Autos fahren aufs Deck, ein bisschen eng, aber es klappt. Vom Schiff aus kann man die Insel sehen; den Leuchtturm, hohe weiße Hotels, die Dünen, den Hafen. Wer auf Norderney Urlaub machen will, der darf sein Auto mitnehmen. Fahren darf er allerdings nur bis zum Hotel und außerhalb des Ortes.

Am Hafen stehen 20 Taxen. Hier herrschen Hektik und Stress, das wollen wir eigentlich nicht. Doch das ändert sich.
Nur ein paar Minuten zum Hotel Seesteg direkt an der Nordsee. Ein schönes Zimmer mit Blick aufs Meer und das Schwimmbad auf dem Dach nur zehn Meter weg. Wir sind zufrieden, uns erwartet ein schöner Urlaub.

Am ersten Abend essen wir im Restaurant unseres Hotels eine Fjordforelle & Lardo di Colonnata Senf mit Paprikarahmkraut im Kümmelsud, und als Höhepunkt die Brust vom Schwarzfederhuhn. Ein exklusiv lukullischer Anfang.

Der Tourismus auf Norderney hat sich verändert. Wer länger nicht da war, kennt die Insel kaum wieder. War Norderney vor einigen Jahren in der Vor- und Nachsaison noch das Reiseziel für den Clubtourismus, wird es für Gruppenreisende immer schwerer, Unterkünfte und Restaurants für eine Gruppe zu finden. Man könnte meinen, Norderney will diese Gäste nicht mehr.
Aber das ist die Crux auf der Insel. Auf der einen Seite strahlt die alte Bäderhausarchitektur im neuen Glanz wieder zum Feineren hin. Viele Hoteliers und Eigentümer hochwertiger Ferienwohnungen lehnen Club-Anfragen ab.
Zum anderen kommen all die Norderneyer in Schwierigkeiten, die nicht die exklusiven und "normalen" Feriengäste in ihren Pensionen haben. Sie sind froh, dass die Vereine und unterschiedliche Clubs von Donnerstag bis Sonntag ihr Überleben sichern. Ich glaube, die Norderneyer müssen aufpassen, dass nicht zwei Welten aneinander vorbei leben.

Im Inselloft leihen wir uns chice Fahrräder mit Ledersattel und erkunden die Insel. Auf der Strandpromenade und durch die Dünen bis zum Strandlokal Weiße Düne. Hier essen wir Frieseneis mit was Obendrauf aus Einmachgläsern. Zu Fuß geht es weiter am weißen Strand entlang zum östlichsten Teil Norderneys, bis zum Wrack der gestrandeten CAPELLA. Für ein Wrack präsentiert sich das so glücklose Bergungsschiff dabei bis in die heutige Zeit in einem bunten Farbenkleid. Touristen haben es sich in den vergangenen Jahren zum Hobby gemacht, schwer bepackt mit Farbeimern durch die Dünen hinweg zum rostigen Rumpf auf dem Strand zu wandern, um sich auf dem mürben Stahl künstlerisch auszutoben.

Auf Norderney gibt es viel zu entdecken: Die Milchbar, das Thalasso-Angebot im Badehaus, das Conversationshaus, die Marienhöhe im neuen Glanz, das Traditionslokal Meierei, und immer wieder der feinsandige Strand. Die Insel wird vielfach als Eventinsel bezeichnet. Wir waren in einem Solo-Klavierkonzert mit Justus Franz. Das hatte was!

Vor ein paar Jahren fuhren wir öfter zum Golfen nach Norderney und wohnten im Golfhotel. Da gibt es heute keine Zimmerangebote mehr. Zukunftsorientierte heimische Investoren wollten ein Sternehotel daraus machen. Die Bedingung, Deutschlands ältesten Links-Course auf 18 Löcher zu erweitern, wurde abgelehnt, und seit der Zeit dümpelt das Gebäude so vor sich hin. Schade, denn 18 Löcher und ein schönes Clubhaus mit Hotel an den Dünen, könnte Norderney in die höheren Etagen des Golfsports bringen. Eine 18er Runde hätte sicherlich sehr hohe Linksqualitäten,

Wir spielten diesen Platz. Er hat uns - wie damals - wieder gut sehr gefallen. Der Dünencourse erinnert stark an die typischen Links-Plätze in Irland und bei den Schotten. Hochgelegene Abschläge, kleine und damit schwierig anzuspielende Grüns und Seewind aus wechselnden Richtungen prägen den Charakter dieses Platzes in einer urwüchsigen Dünenlandschaft. Er wurde 1922 angelegt und besteht seit 1927 fast unverändert in der heutigen Form.
Die Runde entpuppt sich als ebenso hinreißende wie hindernisreiche Rallye. Der Norderney-Course ist nichts für zarte Zauderer. Bälle aus dem Rough zu schlagen, kann zur Katastrophe werden.
Die Zwei ist ein Par-5 Loch und hält einige Überraschungen parat. Nach dem Abschlag in ein unübersichtliches hügeliges Gelände knickt die Bahn nach 200 m im 90°-Winkel nach rechts ab. Um ein Abkürzen für Longhitter zu erschweren, hat man an der rechten Fairwayseite bis zum Grün eine Ausgrenze angelegt. Ein langes Par 4 schließt sich an. Bis zur Drivezone begleiten Bäume die Spielbahn. Das Grün bleibt wegen einer vorgelagerten Düne lange im Verborgenen und weiß offenbar nicht so recht, wann es sich dem erwartungsvollen Golfer für den dritten Schlag zeigen soll. Der Abschlag der Sechs thront auf einem hohen Podest mit Blick über den ganzen Platz, die Aussicht aufs Meer gibt es als Draufgabe. Hier spielt man schon mal gegen heftigen Wind und vielleicht auch mal gegen den Sonnenuntergang.
Am letzten Abend unseres Norderney Urlaubs gehen wir in das Restaurant ESSZIMMER im Inselloft. An einem langen Tisch speisen wir mit direktem Blickkontakt zum Koch und zur Küche. Das hatten wir vorher so noch nicht erlebt.
Felix Wesseler ist noch keine 30 und schon einer der kreativsten Köche auf der Insel. Er führt das ESSZIMMER fachlich souverän und mit viel persönlichem Charme. Wir bestellen das Drei-Gänge-Menü: Ceviche vom Wels, Lammrücken mit Sellerie, Pac-Choi und Goji Berren und zum Schluss einen Pfirsich mit Ingwer und Basilikum. Eine Flasche Wein wird geöffnet. Sommelier Philipp Behringer, ein exzellenter Weinkenner deutscher Weine, empfiehlt einen Silvaner vom Weingut Rudolf May aus Franken, und der passt perfekt!
Das war eine „Eins“ mit Sternchen. Sehr coole Location, nicht nur für einmal zu empfehlen. Ein schöner Abschluss.



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